Zähneklappernde Einsamkeit

Der Roman zeichnet ein Panorama des 20. Jahrhunderts, vom Ersten Weltkrieg bis zum denkwürdigen Jahr 1989. Am Anfang des Buches steht das Auffinden einer männlichen Leiche im Berliner Tiergarten, kurz nach dem Mauerfall. Von hier aus entwirft Nádas ein Geflecht von einzelnen, sich kreuzenden oder auch wiederholenden Lebensgeschichten, in deren Zentrum die Budapester Familie Demén und ihre Freunde stehen. Nádas führt den Leser tief hinein in die verästelte Psyche seiner Figuren, deckt diese Schicht um Schicht auf und verweigert sich und dem Leser dennoch die Zusammenfügung zu einem abgerundeten Ende. Die grosse Metaerzählung des Romans fügt sich aber auf der Ebene der Körper, die für Nádas zum Schauplatz der Ereignisse werden: Der männliche und weibliche Körper und seine Sexualität prägen die Lebenswirklichkeit der Personen, sie sind das «glühende Magma», das «in der Tiefe ihrer Seele oder ihres Geistes ruhende Zündmaterial», das die Parallelgeschichten zur Explosion bringt.

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Für sein 1986 erschienenes «Buch der Erinnerung», das Susan Sontag einen der grössten Romane des Jahrhunderts nannte, wurde Péter Nádas (geb. 1942 in Budapest) international gefeiert und geehrt. Mit «Parallelgeschichten» (übersetzt von Christina Viragh) legt Nádas nun ein neues Meisterwerk vor.

Am 13. April 2012 las Péter Nádas aus «Parallelgeschichten» (Rowohlt 2012), das Gespräch führte Ilma Rakusa.